

MD Niklas Marizy
Arzt und Head of Medical bei Adon Health
Testosteron und Fruchtbarkeit: Wie das Hormon die Zeugungsfähigkeit beeinflusst
Inhaltsverzeichnis
Testosteron ist das wichtigste männliche Sexualhormon und beeinflusst eine Vielzahl von Prozessen im Körper – von der Muskelmasse bis zur Knochendichte. Besonders essenziell ist es jedoch für die männliche Fruchtbarkeit.
Es reguliert die Spermienproduktion (Spermatogenese), die Libido und die allgemeine sexuelle Gesundheit. Ein hormonelles Ungleichgewicht kann daher erhebliche Auswirkungen auf die Zeugungsfähigkeit haben (Walker, 2011).
Wie Testosteron die Fruchtbarkeit beeinflusst
Ein optimaler Testosteronspiegel ist essenziell für die Spermatogenese – den Prozess der Spermienbildung (Papanikolaou et al., 2022). Niedrige Testosteronwerte können zu einer reduzierten Spermienanzahl, verminderter Libido und Erektionsstörungen führen (Tsujimura, 2013). Diese Faktoren beeinträchtigen die Fähigkeit, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen. Zusätzlich können Symptome wie Verlust an Muskelmasse, Haarausfall und psychische Schwankungen auftreten.
Testosteron und die Spermienproduktion
Die Produktion von Spermien findet in den Hoden statt und wird durch ein komplexes Zusammenspiel von Hormonen gesteuert (Hauger et al., 2022). Hierbei spielen insbesondere drei Botenstoffe eine zentrale Rolle:
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Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH): Dieses Hormon wird im Hypothalamus freigesetzt und regt die Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) dazu an, weitere Hormone zu produzieren (LH & FSH).
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Luteinisierendes Hormon (LH): Stimuliert die sog. Leydig-Zellen in den Hoden zur Testosteronproduktion.
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Follikelstimulierendes Hormon (FSH): Fördert gemeinsam mit Testosteron die Entwicklung der Spermien in den Hodenkanälchen.
Ein gesunder Testosteronspiegel ist daher notwendig, um eine ausreichende Spermienproduktion sicherzustellen. Sinkt der Testosteronspiegel zu stark ab, wird die Spermatogenese gestört, was zu einer geringeren Spermienzahl, reduzierter Spermienqualität und einer verminderten Fruchtbarkeit führen kann (Walker, 2011).
Einfluss auf die Libido und sexuelle Gesundheit
Testosteron ist nicht nur für die physische Spermienproduktion verantwortlich, sondern auch für die sexuelle Erregbarkeit und Leistungsfähigkeit. Ein niedriger Testosteronspiegel kann zu folgenden Problemen führen:
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Verminderte Libido: Männer mit niedrigen Testosteronwerten berichten häufig über einen Rückgang des sexuellen Verlangens (Catena et al., 2024).
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Erektionsstörungen: Testosteron ist notwendig für die Produktion von Stickstoffmonoxid (NO), das die Blutgefäße entspannt und die Erektion ermöglicht. Ein Mangel kann daher die Erektionsqualität beeinträchtigen (Isidori et al., 2013).
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Ejakulationsprobleme: Ein hormonelles Ungleichgewicht kann zu veränderten Ejakulationsmustern führen, wie verzögerter oder ausbleibender Ejakulation (Tsujimura, 2013).
Erfahre mehr darüber, welche Ursachen hinter Erektionsstörungen stecken und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt, in unserem Artikel „Erektile Dysfunktion: Kopfsache oder ein Gesundheitswarnzeichen?“.
Hormonelles Ungleichgewicht und seine Folgen für die Fruchtbarkeit
Ein zu hoher oder zu niedriger Testosteronspiegel kann die Fruchtbarkeit auf verschiedene Weise beeinträchtigen:
Zu niedriger Testosteronspiegel:
- Geringe Spermienanzahl und reduzierte Beweglichkeit der Spermien
- Abnahme der sexuellen Aktivität, wodurch die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Befruchtung sinkt
- Erhöhte Müdigkeit und depressive Verstimmungen, die sich negativ auf die allgemeine Lebensqualität auswirken (Vartolomei et al., 2018)
Zu hoher Testosteronspiegel (z. B. durch exogene Testosteronzufuhr wie TRT):
- Unterdrückung der körpereigenen Hormonproduktion durch sog. negative Rückkopplung (HPTA-Achse) (Desai et al., 2022)
- Reduzierte FSH- und LH-Werte, was zur fast vollständigen Einstellung der Spermienproduktion führen kann
- Mögliche Schrumpfung der Hoden durch mangelnde Stimulation der Leydig-Zellen (Palacios et al., 1981)
Ein empfindliches Gleichgewicht
Testosteron ist ein Schlüsselfaktor für die männliche Fruchtbarkeit, aber sein Einfluss ist vielschichtig. Ein zu niedriger Testosteronspiegel kann die Spermienproduktion beeinträchtigen, während eine unkontrollierte Testosteronzufuhr die Fruchtbarkeit ebenfalls stark reduzieren kann. Daher ist eine sorgfältige hormonelle Balance entscheidend – insbesondere für Männer mit Kinderwunsch.
Im weiteren Verlauf des Artikels gehen wir darauf ein, welche Alternativen zur Testosterontherapie existieren, die die Fruchtbarkeit erhalten können, und welche neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse es zur Anwendung von Testosteron als potenzielle „Pille für den Mann“ gibt.
Testosterontherapie und ihre Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit
Bei Männern mit diagnostiziertem Testosteronmangel kann eine Testosterontherapie (TRT) helfen, den Hormonspiegel zu normalisieren und Symptome wie Müdigkeit, verminderte Libido und depressive Verstimmungen zu lindern. Allerdings ist Vorsicht geboten:
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Unterdrückung der Spermienproduktion: Die externe Zufuhr von Testosteron kann die körpereigene Hormonproduktion hemmen, was zu einer signifikanten Reduktion oder sogar vollständigen Einstellung der Spermienproduktion führt (Desai et al., 2022).
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Hodenverkleinerung: Durch die externe Hormonzufuhr kann es zu einer Schrumpfung der Hoden kommen, was die Fruchtbarkeit weiter beeinträchtigt (Palacios et al., 1981).
Daher ist eine Testosterontherapie bei bestehendem Kinderwunsch kontraindiziert (Patel et al., 2018).
Die gute Nachricht ist, dass diese Beeinträchtigungen der Fruchtbarkeit in der Regel reversibel sind (Bang et al., 2013). Nach Absetzen der Testosterontherapie normalisiert sich die Spermienproduktion meist innerhalb von 4 bis 6 Monaten (Handelsman et al., 2022). Allerdings kann bei längerfristigem oder missbräuchlichem Gebrauch von hohen Testosterondosen die Wiederherstellung der Fruchtbarkeit beeinträchtigt sein. Es gibt Hinweise darauf, dass bei Missbrauch, insbesondere bei deutlich höheren Dosierungen als bei einer TRT vorgesehen, eine dauerhafte Einschränkung der Fruchtbarkeit auftreten kann (Osta et al., 2016).
Daher sollten Männer mit aktuellem Kinderwunsch innerhalb der nächsten 6 Monate eine Testosterontherapie nur nach sorgfältiger Abwägung und unter strenger ärztlicher Aufsicht in Betracht ziehen.
Alternative Behandlungsansätze
Für Männer mit Kinderwunsch gibt es alternative Therapieansätze, die darauf abzielen, die körpereigene Testosteronproduktion zu stimulieren, ohne die Spermienproduktion zu beeinträchtigen. Zwei dieser Ansätze sind die Verwendung von Selektiven Estrogenrezeptor-Modulatoren (SERMs) wie Clomifen und Tamoxifen sowie die Gabe von Humanem Choriongonadotropin (hCG).
Selektive Estrogenrezeptor-Modulatoren (SERMs): Clomifen und Tamoxifen
SERMs wirken, indem sie die Östrogenrezeptoren im Hypothalamus blockieren. Dies täuscht dem Körper einen niedrigen Östrogenspiegel vor, was zu einer verstärkten Ausschüttung von Luteinisierendem Hormon (LH) und Follikelstimulierendem Hormon (FSH) aus der Hypophyse führt. Dadurch werden die Leydig-Zellen in den Hoden zur vermehrten Testosteronproduktion angeregt, während gleichzeitig die Spermatogenese erhalten bleibt (Rambhatla et al., 2016).
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Clomifen
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Clomifen wird häufig bei Männern eingesetzt, deren Hoden zu wenig Testosteron produzieren, weil das dazu notwendige Signal aus dem Gehirn fehlt. Dies kann dazu führen, dass die Spermienzahl und -qualität reduziert sind. Clomifen hilft, diesen Prozess zu verbessern, indem es die körpereigene Testosteronproduktion ankurbelt. Studien zeigen, dass die Behandlung mit Clomifen die Anzahl und Beweglichkeit der Spermien erhöhen kann, was die Chancen auf eine natürliche Zeugung verbessert. Da es gut verträglich ist und den Hormonhaushalt auf natürliche Weise unterstützt, wird es oft als erste Behandlungsoption gewählt (Guo et al., 2019).
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Tamoxifen
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Tamoxifen gehört ebenfalls zur Gruppe der SERMs und hat eine ähnliche Wirkungsweise wie Clomifen. Während Clomifen jedoch sowohl als Östrogen-Antagonist als auch -Agonist wirken kann, zeigt Tamoxifen eine rein blockierende Wirkung auf Östrogenrezeptoren. Dadurch kann es in bestimmten Fällen eine stärkere Erhöhung des körpereigenen Testosteronspiegels bewirken als Clomifen. Studien deuten darauf hin, dass Tamoxifen insbesondere bei Männern mit niedrigen Testosteronwerten und gleichzeitig reduzierter Spermienqualität eine Alternative zu Clomifen darstellen kann (Ide et al., 2020).
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Ein Vergleich der beiden Wirkstoffe zeigt, dass Clomifen häufiger eingesetzt wird, da es besser untersucht ist und meist als effektiver angesehen wird. Tamoxifen kann jedoch in Fällen angewendet werden, in denen Clomifen nicht ausreichend wirkt oder nicht vertragen wird.
Humanes Choriongonadotropin (hCG)
hCG ist ein Hormon, das strukturell dem luteinisierenden Hormon (LH) ähnelt. Bei Männern kann die Verabreichung von hCG die Leydig-Zellen in den Hoden direkt stimulieren, mehr Testosteron zu produzieren (Madhusoodanan et al., 2019). Dies kann besonders bei Männern mit Hypogonadismus, also Testosteronmangel und Kinderwunsch, vorteilhaft sein, da hCG die körpereigene Testosteronproduktion anregt, ohne die Spermatogenese zu unterdrücken (Babak et al., 2018).
In einigen Fällen wird hCG in Kombination mit FSH (Follikelstimulierendes Hormon) eingesetzt, um sowohl die Testosteronproduktion als auch die Spermienbildung zu optimieren. Diese Kombinationstherapie wird vor allem bei Männern mit sehr niedriger Spermienkonzentration angewendet (Kobori et al., 2014).
Wichtige Hinweise
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Off-Label-Use: Die Anwendung von Clomifen, Tamoxifen und hCG zur Behandlung männlicher Unfruchtbarkeit erfolgt oft außerhalb der zugelassenen Indikationen ("Off-Label-Use"). Daher sollten diese Therapien nur unter sorgfältiger ärztlicher Aufsicht und nach umfassender Aufklärung des Patienten durchgeführt werden.
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Individuelle Beratung: Nicht jeder Mann mit Kinderwunsch ist für diese Therapien geeignet. Eine gründliche Diagnostik und individuelle Beratung durch einen erfahrenen Arzt sind unerlässlich, um den optimalen Behandlungsplan zu erstellen.
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Unterstützung durch Adon Health: Bei Adon Health bieten wir spezialisierte Hormontests an, mit denen Du Deinen Testosteron- und Hormonstatus präzise analysieren kannst. So erhältst Du eine fundierte Grundlage für ärztliche Entscheidungen und kannst gemeinsam mit erfahrenen Ärzten eine maßgeschneiderte Therapie erarbeiten.
Durch diese alternativen Therapieansätze kann die Fruchtbarkeit bei Männern mit Kinderwunsch verbessert werden, ohne die negativen Auswirkungen einer Testosteronzufuhr von außen auf die Spermienproduktion zu riskieren.
Testosteron als potenzielles Verhütungsmittel für Männer
Die Entwicklung einer "Pille für den Mann" als hormonelles Verhütungsmittel ist seit Jahrzehnten ein Forschungsthema. Ziel ist es, die Spermienproduktion zu unterdrücken, um eine Empfängnis zu verhindern. Obwohl verschiedene Ansätze untersucht wurden, ist bislang kein Präparat zur männlichen Verhütung auf dem Markt erhältlich. Häufig führen Nebenwirkungen der getesteten hormonellen oder nicht-hormonellen Medikamente dazu, dass sie nicht zugelassen werden (Louwagie et al., 2023).
Hormonelle Ansätze:
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Testosteron und Gestagene: Frühere Studien konzentrierten sich auf die Kombination von Testosteron mit Gestagenen, um die Spermienproduktion zu hemmen. Diese Kombination beeinflusst den Regelkreis zwischen Hypothalamus, Hypophyse und Hoden, was zur Unterdrückung der Spermienproduktion führt. Allerdings wurden diese Ansätze aufgrund von Nebenwirkungen und unzureichender Wirksamkeit nicht weiterverfolgt (Büchter et al., 1999).
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Dimethandrolon-Undecanoat (DMAU): Ein weiteres hormonelles Präparat, das untersucht wurde, ist DMAU. Es kombiniert androgene und gestagene Eigenschaften und soll die Spermienproduktion zuverlässig unterdrücken. In Studien traten Nebenwirkungen wie Libidoverlust und Gewichtszunahme selten auf. Langzeitstudien stehen jedoch noch aus, um das Potenzial dieses Ansatzes vollständig zu bewerten (Thirumalai et al., 2020).
Nicht-hormonelle Ansätze:
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TDI-11861: Dieser Wirkstoff blockiert ein Enzym, das für die Beweglichkeit der Spermien verantwortlich ist. In Tierversuchen führte TDI-11861 innerhalb von 30 bis 60 Minuten zu einer vollständigen, aber reversiblen Unfruchtbarkeit. Nach 24 Stunden war die Spermienbeweglichkeit wiederhergestellt. Weitere klinische Studien sind erforderlich, um die Wirksamkeit und Sicherheit beim Menschen zu bestätigen (Balbach et al., 2023).
Die Entwicklung einer sicheren, effektiven und reversiblen Verhütungsmethode für Männer bleibt eine Herausforderung. Während einige Ansätze vielversprechend sind, bedarf es weiterer Forschung, um deren Anwendung im klinischen Alltag zu ermöglichen.
Unser Fazit, Dein Wissen
Testosteron ist essenziell für die männliche Fruchtbarkeit, doch ein Ungleichgewicht kann die Zeugungsfähigkeit massiv beeinträchtigen. Eine Testosterontherapie (TRT) kann zwar Symptome eines Mangels lindern, unterdrückt aber die Spermienproduktion und ist bei bestehendem Kinderwunsch nicht geeignet.
Die gute Nachricht: In den meisten Fällen ist diese Einschränkung reversibel, sofern rechtzeitig gegengesteuert wird. Alternativen wie Clomifen, Tamoxifen oder hCG können helfen, die körpereigene Testosteronproduktion zu steigern, ohne die Fruchtbarkeit zu gefährden.
Neben der Rolle von Testosteron in der Reproduktion wird es auch als männliches Verhütungsmittel erforscht – ob als Gel oder Pille. Während erste Studien vielversprechend sind, braucht es noch weitere Forschung.
🔍 Adon Health hilft Dir, Deinen Hormonhaushalt zu analysieren und die beste Lösung für Deine Gesundheit zu finden.