MD Niklas Marizy
Arzt und Head of Medical bei Adon Health
Knochengesundheit bei hypogonadalen Männern: Das unterschätzte Frakturrisiko
Inhaltsverzeichnis
Expertenbeitrag unter Mitwirkung von Prof. Dr. Michael Zitzmann. Erfahre, wie Testosteronmangel bei Männern die Knochengesundheit beeinflusst und das Risiko für Osteoporose und Knochenbrüche erhöht.
Die Knochengesundheit von Männern steht oft nicht im Mittelpunkt gesundheitlicher Diskussionen, doch sie verdient besondere Beachtung, insbesondere bei Männern mit Hypogonadismus. Hypogonadismus, besser bekannt als Testosteronmangel, ist weit verbreitet und kann erhebliche Auswirkungen auf die Knochengesundheit haben. Studien weisen darauf hin, dass zwischen 10 und 40 % der Männer von einem Mangel betroffen sind (Mulligan et al., 2008). In diesem Artikel beleuchten wir die wichtige Verbindung zwischen Hypogonadismus und Knochengesundheit bei Männern, und wie ein Mangel an Testosteron zu einer Verringerung der Knochendichte führen kann, was das Risiko für Knochenbrüche und Osteoporose erhöht (Fink et al., 2006).
Hypogonadismus und Knochengesundheit
Hypogonadismus oder Testosteronmangel ist ein Zustand, der durch erniedrigte Testosteronwerte im Körper gekennzeichnet ist (Traish et al., 2011). Testosteron, ein wichtiges Hormon aus der Gruppe der Androgene, spielt eine entscheidende Rolle in vielen physiologischen Prozessen, darunter auch bei der Erhaltung und Stärkung der Knochenstruktur. Männer mit Hypogonadismus haben häufig nicht nur mit den offensichtlichen Symptomen wie verringerter Libido, Müdigkeit und Muskelschwäche (Sizar et al., 2024) zu kämpfen, sondern auch mit weniger sichtbaren, aber ebenso ernsthaften Problemen wie der Verringerung der Knochendichte und damit einer erhöhten Knochenbrüchigkeit, auch bekannt als Osteoporose (Shigehara et al., 2021).
Darüber hinaus kann ein Mangel an Testosteron zu einer Verringerung der Muskelmasse (Bhasin et al., 1997) und einer Zunahme des Körperfetts (Wittert et al., 2003) führen, was ebenfalls die Knochenbelastung und das Risiko für Frakturen beeinflusst. Eine geringere Muskelmasse schwächt die mechanische Unterstützung der Knochen, während erhöhtes Körperfett und damit auch ein erhöhtes Körpergewicht zu einer höheren Belastung der Knochen führt. Mehr zum Thema Testosteronmangel erfährst Du auch in unserem Artikel „Testosteronmangel beim Mann: Ursachen, Symptome und Lösungen”.
Osteoporose und Frakturrisiko
Osteoporose, eine Krankheit, die durch schwache und brüchige Knochen gekennzeichnet ist, wird oft als eine Frauenkrankheit angesehen (General, 2004). Doch auch Männer, insbesondere jene mit Hypogonadismus, sind gefährdet. Studien haben gezeigt, dass Männer mit niedrigen Testosteronspiegeln ein erhöhtes Risiko für Frakturen haben, insbesondere an Hüfte, Wirbelsäule und Handgelenk. Diese Frakturen können schwere gesundheitliche Folgen haben und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen (Golds et al., 2017).
Männer mit Hypogonadismus sind besonders anfällig für eine Abnahme der Knochendichte, da Testosteron eine wichtige Rolle bei der Erhaltung der Knochenmasse spielt (Narla & Ott, 2018). Ohne ausreichende Mengen dieses Hormons nimmt die Stabilität der Knochen ab, was zu einer erhöhten Brüchigkeit führt. Diese erhöhte Brüchigkeit bedeutet, dass selbst geringfügige Stöße oder Stürze zu ernsthaften Verletzungen führen können. Hüftfrakturen sind besonders besorgniserregend, da sie häufig zu längeren Krankenhausaufenthalten, einer verminderten Mobilität und einem erhöhten Risiko für weitere gesundheitliche Komplikationen führen (Fox et al., 1993).
Die Wirbelsäule ist ebenfalls gefährdet, da Frakturen in diesem Bereich zu chronischen Schmerzen, eingeschränkter Beweglichkeit und einer Verschlechterung der Körperhaltung führen können. Handgelenksfrakturen, die oft als weniger schwerwiegend angesehen werden, können dennoch erhebliche Beeinträchtigungen im täglichen Leben verursachen, insbesondere wenn sie wiederholt auftreten oder nicht richtig heilen. Die Prävention und frühzeitige Behandlung von Knochenschwäche bei Männern mit Hypogonadismus ist daher von entscheidender Bedeutung, um ihre Lebensqualität zu erhalten und schwerwiegende gesundheitliche Folgen zu vermeiden.
Testosteron und der Knochenstoffwechsel
Testosteron trägt maßgeblich zur Aufrechterhaltung der Knochendichte bei, indem es die Aktivität der Osteoblasten, also der Zellen, die Knochen bilden, stimuliert und den Abbau von Knochengewebe durch Osteoklasten, die Zellen, die Knochen abbauen, hemmt (Mohamad et al., 2016). Diese beiden Zelltypen spielen eine zentrale Rolle im Knochenstoffwechsel. Osteoblasten sind dafür verantwortlich, neue Knochenmatrix zu bilden und Mineralien einzulagern, wodurch die Knochen gestärkt und verdichtet werden. Osteoklasten hingegen sind an der Resorption von Knochengewebe beteiligt, indem sie altes oder beschädigtes Knochenmaterial abbauen.
Ein Mangel an Testosteron kann daher zu einem Ungleichgewicht in diesem empfindlichen System führen (Narla & Ott, 2018). Wenn der Testosteronspiegel sinkt, nimmt die Aktivität der Osteoblasten ab und die der Osteoklasten zu, was dazu führt, dass der Knochenabbau den Knochenaufbau überwiegt. Dieses Ungleichgewicht resultiert in einer Abnahme der Knochendichte. Eine verringerte Knochendichte bedeutet, dass die Knochen weniger mineralisiert und dadurch weniger stabil und widerstandsfähig sind (Shigehara et al., 2021).
Durch die wichtige Rolle, die Testosteron bei der Regulierung des Knochenstoffwechsels spielt, wird deutlich, warum ein ausreichender Testosteronspiegel für die Erhaltung einer gesunden Knochenstruktur entscheidend ist. Männer mit Hypogonadismus, bei denen der Testosteronspiegel chronisch niedrig ist, sollten daher ihre Knochengesundheit regelmäßig überwachen lassen und gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen, um den Testosteronspiegel zu stabilisieren und die Knochendichte zu erhalten.
Diagnose von Osteoporose bei hypogonadalen Männern
Die Diagnose von Osteoporose bei Männern mit Hypogonadismus sollte umfassend und gründlich sein. Ein wesentlicher Bestandteil der Diagnose ist die Messung des Testosteronspiegels im Blut, um das Ausmaß des Hypogonadismus zu bestimmen. Diese Messung sollte idealerweise am Morgen erfolgen, wenn die Testosteronwerte am höchsten sind (Brambilla et al., 2009). Die deutsche Leitlinie des Dachverbandes der Osteologen weist darauf hin, dass eine Messung des Testosteronspiegels bei Osteoporose oder Osteopenie obligat ist. Zudem muss Testosteron bei Hypogonadismus und Osteoporose ersetzt werden, auch aus Sicht der Osteologen (DVO Leitlinie Osteoporose 2023, n.d.).
Ein weiteres wesentliches Instrument zur Beurteilung der Knochengesundheit ist die Knochendichtemessung, auch bekannt als DXA-Scan (Dual-Energy X-ray Absorptiometry). Dieser nicht-invasive Test misst die Knochendichte und hilft, frühe Anzeichen von Osteoporose oder einer verminderten Knochendichte zu erkennen, bevor es zu Frakturen kommt. Der DXA-Scan liefert präzise Informationen über die Knochendichte in verschiedenen Teilen des Skeletts, insbesondere in der Hüfte, der Wirbelsäule und dem Handgelenk, die am anfälligsten für Frakturen sind (Blake & Fogelman, 2007).
Eine umfassende Diagnose sollte auch eine Bewertung des Vitamin-D-Spiegels und Kalziumwertes im Blut umfassen. Vitamin D ist entscheidend für die Kalziumaufnahme und die Knochengesundheit. Ein Mangel an Vitamin D kann zu einer verminderten Knochendichte und einem erhöhten Frakturrisiko führen (Branch, 2023). Daher ist es wichtig, den Vitamin-D-Spiegel zu überprüfen und gegebenenfalls durch Nahrungsergänzungsmittel zu korrigieren. Zusätzlich sollten andere relevante Blutparameter untersucht werden, die für die Knochengesundheit wichtig sind. Dazu gehören Parathormon (PTH), das den Kalziumstoffwechsel reguliert (Kroll, 2000), und Marker des Knochenumbaus wie Osteocalcin und C-terminales Telopeptid (CTX). Diese Marker geben Aufschluss über die Aktivität von Osteoblasten und Osteoklasten und helfen, das Gleichgewicht zwischen Knochenaufbau und Knochenabbau zu beurteilen (Szulc et al., 2017).
Prävention und Behandlungsstrategien
Es gibt verschiedene Strategien, um die Knochengesundheit bei hypogonadalen Männern zu verbessern und das Frakturrisiko zu senken:
- Testosteronersatztherapie (TRT): Die Testosteronersatztherapie (TRT) kann helfen, den Testosteronspiegel zu normalisieren und die Knochendichte zu verbessern. Große, placebokontrollierte Doppelblindstudien haben gezeigt, dass Männer, die eine TRT erhalten, eine erhöhte Knochendichte und eine reduzierte Frakturanfälligkeit aufweisen. Durch die Wiederherstellung eines normalen Testosteronspiegels wird die Aktivität der Osteoblasten stimuliert und der Knochenabbau durch Osteoklasten gehemmt, was zu einer insgesamt stärkeren und widerstandsfähigeren Knochenstruktur führt (Snyder et al., 2017 ; Fui et al., 2021). Eine erst dieses Jahr im The New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie zeigte allerdings eine erhöhte Frakturrate unter TRT im Vergleich zur Placebogruppe, und dies von Beginn der Studie an. Die Knochendichte wurde dabei nicht gemessen. Man geht davon aus, dass eine erhöhte körperliche Aktivität der untrainierten, älteren, hypogonadalen Männer mit wahrscheinlicher Osteopenie bzw. Osteoporose unter dem Beginn der TRT dies verursacht hat. Aus diesem Grund ist es gerade für ältere Männer zu Beginn einer TRT wichtig, dass sie Sport vorsichtig und unter Anleitung beginnen und das Sturzrisiko beachten (Snyder et al., 2024).
- Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung, die reich an Kalzium und Vitamin D ist, ist entscheidend für die Knochengesundheit. Kalzium ist der wichtigste Mineralstoff für die Knochenbildung und -stärkung, während Vitamin D die Kalziumaufnahme im Darm fördert und somit die Mineralisierung der Knochen unterstützt. Lebensmittel wie Milchprodukte, grünes Blattgemüse, Fisch und angereicherte Lebensmittel können helfen, diese wichtigen Nährstoffe zu liefern. In Fällen, in denen die Aufnahme mit der Nahrung nicht ausreichend ist, können Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll sein (Laird et al., 2010).
- Körperliche Aktivität: Regelmäßige körperliche Betätigung, insbesondere Gewicht tragende Übungen wie Gehen, Laufen und Krafttraining, kann die Knochenstärke fördern und den Knochenschwund verlangsamen. Diese Aktivitäten belasten die Knochen und regen den Knochenaufbau an, indem sie die Aktivität der Osteoblasten fördern. Darüber hinaus verbessert körperliche Aktivität die Muskelkraft, die Koordination und das Gleichgewicht, wodurch das Sturzrisiko und damit das Frakturrisiko verringert wird (Pinheiro et al., 2020).
- Medikamentöse Behandlung: In einigen Fällen können Medikamente wie Bisphosphonate oder Denosumab erforderlich sein, um den Knochenabbau zu hemmen und die Knochendichte zu erhöhen. Bisphosphonate wirken, indem sie die Aktivität der Osteoklasten reduzieren und somit den Knochenabbau verlangsamen. Denosumab ist ein monoklonaler Antikörper, der die Bildung und Funktion von Osteoklasten hemmt, wodurch ebenfalls der Knochenabbau reduziert wird. Diese Medikamente sind besonders nützlich für Männer mit fortgeschrittener Osteoporose oder hohem Frakturrisiko (Watts & Diab, 2010).
- Lebensstiländerungen: Vermeidung von Rauchen (Trevisan et al., 2020) und übermäßigem Alkoholkonsum sowie das Management chronischer Erkrankungen wie Diabetes oder Schilddrüsenstörungen sind ebenfalls wichtige Faktoren zur Erhaltung der Knochengesundheit. Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum können die Knochendichte verringern und das Frakturrisiko erhöhen (Sampson, 1998). Das Management chronischer Erkrankungen ist entscheidend, da bestimmte Krankheiten und die damit verbundenen Medikamente negative Auswirkungen auf die Knochengesundheit haben können.
Unser Fazit, Dein Wissen
Ein Testosteronmangel ist ein bedeutender Risikofaktor für eine verminderte Knochendichte und ein erhöhtes Frakturrisiko bei Männern. Es ist wichtig, dass Männer sich der potenziellen Auswirkungen eines niedrigen Testosteronspiegels auf ihre Knochengesundheit bewusst sind und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Eine regelmäßige Überprüfung der Hormonspiegel und der Knochendichte, kombiniert mit präventiven und therapeutischen Maßnahmen, kann dazu beitragen, die Knochengesundheit zu erhalten und das Risiko für Frakturen zu verringern.
Bei Adon Health legen wir großen Wert darauf, Männer über die Bedeutung der Knochengesundheit aufzuklären und ihnen zu helfen, proaktiv ihre Gesundheit zu managen. Mit der richtigen Diagnose und Behandlung können Männer mit Hypogonadismus ihre Knochengesundheit verbessern und ein aktives, gesundes Leben führen.